Malen als Prozess
ErzieherInnen sollen alle Kinder darin unterstützen, Licht und Farben in und um sich wahrzunehmen. Dieser Appell stammt von Loris Malaguzzi. Tobias Kügler, Erzieher aus dem FRÖBELKindergarten Kinderland in Neu Fahrland staunte, dass Kinder auch dann genau dort landen, wenn sie völlig »unbunt« anfangen.
Es waren gut zwei Dutzend mit Fotos bedruckter Leinwände, die wir einer neuen Verwendung zuführen wollten. Wir entschieden uns, sie durch Übermalen zur Grundlage neuer Werke zu machen. Damit begann ein spannender Prozess, der uns nach einigen Experimenten zur Einsicht führte, dass nur mit der Rolle dick aufgetragenes Schwarz wirklich alles verdeckt. Diese kleine Sensation führte dazu, dass die Farbe Schwarz im weiteren Verlauf unserer ergebnisoffenen gestalterischen Praxis immer wieder zum Einsatz kam. Kurz gesagt: Unsere Reise ins Fühlen von Licht und Farben begann mit dem Vorhaben »alles schwarz malen« – also ausgesprochen unbunt.
Mit Goldlackstift entstanden auf den schwarzen Leinwänden leuchtende Namensbilder, Kreise und Formen. Andere Kinder entschieden sich – mitten im Sommer – für Schnee- und Winterlandschaften, weil sich weiße Tupfer so gut von schwarz abheben. Mit Acrylfarbe und diversen Werkzeugen entstanden Kritzel- und Ritzbilder. Farbe und Pudersand vermischten sich zu dicken, pastosen Schichtungen. Risse, Schnitte und durchgestoßene Löcher machten die schwer gewordenen Leinwände zu haptisch erfahrbaren Objekten. Auf dem Leuchttisch gewann alles eine besondere Ausstrahlung.
Auch Steine, Stofffetzen und Stöcke, die wir oft aus dem Wald gegenüber mitbringen, werden Farbkörper. Beim Bemalen folgt Rafael ihren Windungen, um zu prüfen, ob er keine Stelle übersehen hat. Alle bestreichen – in sich versunken – Steine, Leinwände, Holz und Bilderrahmen mit unverdünnter Temperafarbe. Mit der Zeit entstand eine Sammlung monochromer Objekte mit fast magischer Anmutung. Dadurch veränderte sich auch die Atmosphäre unseres Atelier-Raumes spürbar. Das inspiriert bis heute Kinder, »Einfärber« zu werden, wie Florian es nennt.
Tobias Kügler ist Kulturwissenschaftler und Erzieher im FRÖBEL-Kindergarten Kinderland in Neu Fahrland in Brandenburg. Er ist Co-Autor von »Dino auf dem Polylux. Ästhetische Bildung in der Kita«.
Kontakt
Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 09-10/19 lesen.