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School for Life: »Das Beste für die Ärmsten«
Selten steht etwas in der Zeitung, das man über Jahrzehnte in Erinnerung behält. Für unsere Redakteurin Jutta Gruber war es ein Pressebericht zur Gründung der School for Life im Norden Thailands. Dass sie dort einmal hospitieren und sich davon überzeugen könnte, dass der Situationsansatz weltweit funktioniert, hat sie lange nicht für möglich gehalten.
Gegen acht Uhr holt mich Mr. Jo, der eigentlich Kyaw Kyaw Hla heißt, mit dem Schulbus in Chiang Mai ab. Dabei sind Nele Zaccheddu aus Frankfurt am Main und Falk Sievers aus der Nähe von Münster. Beide haben kürzlich ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der School for Life begonnen. Bevor wir die Stadt Richtung Norden in die Berge verlassen, legen wir einen Stopp in einem Schnellrestaurant ein. Ich trinke den ersten Thai-Tee meines Lebens und erfahre von Nele und Falk, dass ihnen bei der Arbeit viel Vertrauen entgegengebracht wird und sie deutlich mehr Gestaltungsfreiraum haben, als sie das von anderen FSJler:innen in ähnlichen Programmen hören. Ihre Aufgaben seien u.a. das Unterrichten von Sport und Englisch, »wobei das nicht nur an die festen Unterrichtszeiten gebunden ist. Je mehr Zeit wir mit ihnen verbringen, umso mehr wollen sie natürlich auch Englisch lernen oder Fußball spielen«. Sie würden aber auch für Aufgaben angefragt, die gerade anstehen. Am meisten erstaunt hätte sie, wie rasch sie von den Kindern aufgenommen wurden. »Obwohl sie doch wissen, dass wir FSJ-ler:innen nach einem Jahr wieder weggehen, nehmen sie einen komplett in ihre große Familie auf, als die sich die Schule versteht. Wahrscheinlich freuen sie sich über jede Person, die ihnen Aufmerksamkeit entgegenbringt. Die Schulhymne ›That is our home, we are school for life, we are family‹, die sie gemeinsam zur Morgenzeremonie und vor dem Mittagessen im Sprechgesang aufsagen, ist jedenfalls weit mehr als eine Floskel.«
Das ist unser Zuhause
Auf dem Campus angekommen, wecken die bunten Gebäude und die weltweit für tropische Regenwälder typische rote Erde vertraute Gefühle. Kinder spielen hier und dort in kleinen oder größeren Gruppen oder sind unterwegs von A nach B. Je nachdem, ob sie Mädchen oder Jungs sind, rufen sie mir »Sawadee ka« oder »Sawadee krap« zu, die in Thailand übliche Begrüßung. Einigen scheint es auch Spaß zu machen, mich am Rücken zu tätscheln und, noch bevor ich mich umdrehen kann, im Gebüsch zu verschwinden. Andere kommen direkt auf mich zu und sagen »You are beautiful«, ein Satz der vor allem Wertschätzung ausdrückt. Ich finde auch, dass sie hübsch sind und sage es ihnen, zumal sie bemerkenswert schöne Kleidung tragen. Es ist »Tribal-Day«, der Tag in der Woche, an dem sie nicht ihre einheitlichen Schuluniformen tragen, sondern die, mit denen sie die Zugehörigkeit zu ihren jeweiligen Stämmen ausdrücken.
40 Prozent Freiraum
Auf meine Frage, wo die Schulkinder sind, antworten Nele und Falk lachend »ja, überall«, und Mr. Jo hilft mir auf die Sprünge. Er erzählt von Jürgen Zimmer, der die Schule einst gründete und als Erziehungswissenschaftler seit den 1960er-Jahren an Curricula arbeitete, in denen Bildung nicht allein als reproduktive Aneignung von Wissen verstanden wird, sondern als kreatives und produktives Lernen für die Lösung realer Lebensfragen.1 Sein für die School for Life entwickeltes pädagogisches Konzept »the best for the poorest« ist eine von der thailändischen Schulbehörde akzeptierte Verbindung von nationalem Lehrplan (anteilig 60 Prozent) und den von ihm formulierten Centers of Excellence (anteilig 40 Prozent). Die insgesamt sieben Zentren der Kompetenz zeigt er mir als Skizze auf seinem Handy und ergänzt, wie sie u.a. gefördert werden:
- Körper und Seele (u.a. Sport, Kampfkünste, Thaiboxen, Meditation),
- Bewahrung und Förderung von – nicht nur thailändischem – kulturellen Erbe (u.a. Tragen der ethnischen Kleidung, Unterricht in Buddhismus und Christentum, Kunsthandwerk, Jazzdance),
- Technik und Ökologie (u.a. Herstellung von Fächern aus Bambus, Aktionen zur Reinigung des Campus),
- Kultursensitiver Tourismus (u.a. Betreuung von Gästen und deren Unterkünften),
- Internationale Kommunikation (u.a. Computerunterricht, Internet, Englischunterricht als Voraussetzung dafür),
- Ernährung und Gesundheit (u.a. abwechselnd in der Kantine beim Kochen helfen,
- Ökologischer Landbau (u.a. Hühner, Schulfarm, Kompostieren).
Von diesen 40 Prozent Freiraum für Learning by Doing, so Nele und Falk, »könnte sich das deutsche Schulsystem, wo manche Kinder und Jugendliche mit eher kreativen Fähigkeiten oder die weniger gut mit Druck klarkommen durchs Raster fallen, durchaus etwas abschauen«.
Netztipps und Spendenmöglichkeit
Informationen zur School for Life bietet www.school-for-life.org mit einer deutschsprachigen Version und Weiterleitungen zu den Accounts auf Facebook und Instagram. Auf YouTube gelangt man unter Eingabe der Stichwörter »School for Life in Chiang Mai, Thailand« zu einer 12-minütige Reportage (www.youtube.com/watch?v=nezi Z0IbzaE / 24.01.25). Mehr über die Geschichte der Schule und die teils atemberaubenden Herkunftsbiografien der Schüler:innen erfährt man in Jürgen Zimmers wunderbar geschriebenem, 2012 bei Verlag das Netz erschienenen Das halb beherrschte Chaos. Reportagen, Essays und Portraits aus 50 Jahren oder auch seinem in Betrifft KINDER (Ausgabe 11-12 / 2010) erschienem Beitrag School for Life (der Link zum Beitrag: https://verlagdasnetz.de/zeitschrift/betrifft-kinder/betrifft-kinder-2010/bk-10-1210/425-school-for-life26.html / 24.01.25).
Spenden für z.B. Kleidung, Instandsetzung defekter Türen, Fenster und Betten oder Nahrung – ein Mittagessen für alle Schüler:innen kostet z.B. 125 Euro – können direkt auf das Konto der Schule überwiesen werden:
Krungthai Bank
Adresse der Bank:
30/1 Chotana Road, Muang, Chiangmai 50300 Thailand
Kontoinhaberin: School for Life Chiangmai
Kontonummer: 5470108651
Swift Code: KRTHTHBK.
Wofür konkret Gelder gebraucht werden, kann jederzeit bei Mr. Jo, dem Ansprechpartner vor Ort, per E-Mail an