Gastherausgeberin Bronwen Cohen fordert mehr Unterstützung für die Forschung und Entwicklung von europäischen Standards an Räume für Kinder.
Diese Ausgabe von »Kinder in Europa« befasst sich mit der Architektur und dem Design für junge Kinder. Wir haben das als »Räume schaffen« bezeichnet, zur Erinnerung daran, dass die Gestaltung und die Nutzung von Raum alles andere als abstrakt ist – obwohl »Raum« ein abstrakter Begriff ist, der eine Leere beschreibt, die darauf wartet, gefüllt zu werden.
Der Raum reflektiert die kulturelle, physische und sozialökonomische Umwelt. Er ist das Ergebnis dessen, wie und von wem Kinder, Erwachsene und ihre Aktivitäten im Raum konzeptionell gesehen und geplant wurden.
Die Zunahme von Angeboten für junge Kinder im Laufe des letzten Jahrhunderts bedeutet, dass mehr junge Kinder ihre Zeit in irgendeiner Art von organisierter Kinderbetreuung verbringen. Gleichzeitig sind wir Zeugen davon, dass es weniger sicheren öffentlichen Raum – wie Plätze in der Stadt oder das offene Land – gibt. Mit weniger Freiheit umherzustreifen und mehr Zeit, die in einem organisierten Raum verbracht wird, ist es lebensnotwendig, dass wir jungen Kindern zuhören und ihre Bedürfnisse voll berücksichtigen. Im schlechtesten Falle wird der Nutzen, den man aus einem Raum ziehen kann, überhaupt nicht in Betracht gezogen oder falsch verstanden. Im besten Falle finden die Überlegungen verschiedener pädagogischer Auffassungen und pädagogischer Praxis, die verschiedenen Menschen und Prozesse, die an dem Bau oder am Erschaffen eines Raums für Kinder beteiligt sind, ein schwieriges Gleichgewicht.
In den vergangenen Jahren konnten wir feststellen, dass dem Design und der Architektur für junge Kinder mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde, was auch den Lücken in der Forschung über die Bedürfnisse junger Kinder mehr Aufmerksamkeit brachte. Das verändert sich weiter. Die drei Abschnitte dieser Ausgabe von »KINDER in Europa« sind geschrieben worden, um erstens die Leserinnen an den Zusammenhang unserer Auffassung von Architektur und Design zu erinnern, indem wir die Geschichte von Architektur und Design anschauen. Zweitens wollen wir die Beziehung zwischen Kindern und ihrer Umgebung betrachten – die physischen Auswirkungen von Raum, Materialien, Licht, Farbe und Leere. Und schließlich geht es darum, über die Bedeutung und die Mittel nachzudenken, mit denen wir die Ansichten der Kinder und anderer Beteiligter erfahren können.
Die Vergangenheit und die Gegenwart
Wir beginnen damit, uns einige Beispiele aus der Vergangenheit anzuschauen – zuerst aus Deutschland und Italien: Friedrich Fröbel und Maria Montessori. Fröbel war der Begründer der deutschen Kindergartenbewegung, er unterstrich die Bedeutung des Spiels und der Aktivitäten der Kinder. Montessoris Methode konzentrierte sich ebenso auf die Lernumgebung wie auf das Lernen. Beide verknüpften ihre Theorien mit der physischen Umgebung der Kinder und nutzten zum Beispiel die Natur, den Außenbereich und speziell entwickelte Spielzeuge.
Wir betrachten den Einfluss der Industrialisierung, die den Bedarf an Kinderbetreuung für Eltern, die außer Haus berufstätig sind, hervorrief und parallel, meist getrennt davon, die Entwicklung öffentlicher Bildungseinrichtungen für junge Kinder hervorbrachte. Der schottische Architekt Ian Alexander führt uns durch eine der Schulen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem bekannten schottischen Architekten und Designer Charles Rennie Mackintosh entworfen wurden. Seine Bauwerke zeigen nicht nur die künstlerischen Visionen, die mit Schulgebäuden umgesetzt werden können, sondern vermitteln, indem benachbarte Schulen Einrichtungen wie Kantinen und Sporthallen teilen, auch Einsicht in die Beziehungen zwischen Schule und Gemeinschaft. Wir wissen jedoch nicht viel über Mackintoshs pädagogische Vorstellungen oder über die Debatten, die zwischen Bildungsplanern und Personal stattgefunden haben.
Der Schwerpunktartikel dieser Ausgabe zeigt auch, wie die Vergangenheit die Gegenwart durchdringt, indem wir einen Blick auf die Geschichte eines der neuen Mitglieder der Europäischen Union werfen, auf die Geschichte Ungarns. Marta Korintus, die Forschungsdirektorin des Nationalen Instituts für Familien und Sozialpolitik bezieht sich auf die Geschichte der Kindereinrichtungen und beschreibt die jüngsten Entwicklungen im Land.
Raum und Design
In diesem Abschnitt untersuchen wir die Beziehung der Kinder zu Raum und Design. Der finnische Neurophysiologe Prof. Matti Bergstrom und seine Kollegin Pia Ikonen untersuchen den Einfluss der Hirnforschung auf das Angebot von Räumen für junge Kinder und weisen auf die Rolle hin, die die Natur und der leere Raum spielen, wenn es darum geht, dass das Gehirn lernt und sich entwickelt. Die Bedeutung der natürlichen Umgebung liegt den Naturkindergärten oder Waldkindergärten zugrunde, die es in den meisten nordeuropäischen Ländern gibt, ebenso ist sie die Basis für das norwegische »Ecobuild«-Programm.
Anders Farstad, dessen Kindergarten in Asker in Norwegen die Kinder in die Lage versetzt, ihre ganze Zeit draußen zu verbringen, benennt einige Vorteile dieser Methode. Die norwegische Architektin Karen Buvik beschreibt, wie umweltfreundliche Gebäude dafür gesorgt haben, dass die Gestaltung der Umwelt Teil der Lernerfahrung der Kinder wird.
In den Niederlanden bedeuten die Veränderungen in der Leitung der Kindereinrichtungen weniger Regulierungen für die Einrichtungen und eine wachsende Beteiligung der Eltern als Kunden (vgl. »KINDER in Europa« Ausgabe 7).
Ine van Liempd von der holländischen Forschungs- und Beratungsagentur für Raumnutzung hat u.a. untersucht, wie das Personal in Kindergärten die Beziehung zwischen den Gebäuden und seiner pädagogischen Vision sieht und ob Bauwerk und Konzept einander ergänzen oder behindern. Bestimmte Visionen von Kinderbetreuung wie die Reggio-Methode fordern zu mehr Nachdenken darüber auf, wie der Raum genutzt wird.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe KINDER in Europa 08 lesen.
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