Die Geschichte einer facettenreichen Entwicklung eines Übergangs, mit ermutigenden Erfolgen und bangen Hoffnungen, erzählt Edeltraud Prokop.
Im ersten Teil des Beitrages (vgl. Betrifft KINDER 07-08/2019) ging es um die Umstrukturierung unserer Einrichtung von einer früheren Gruppenraumstruktur hin zu »Erfahrungsräumen«, um die Übergangsphase eines Kindes von der Familie in die Kindertagesstätte sowie das selbst organisierte Spiel der Kinder und Fragen unserer Teamkultur. In diesem Teil möchte ich von der Ausweitung unseres Aktionsradius erzählen – Nutzung der näheren Umgebung unserer Einrichtung und verschiedener Orte in unserem Stadtteil etc. –, von den Auswirkungen unserer Umstrukturierung auf die Zusammenarbeit mit den Eltern und bestimmten Kontakten und Kooperationen mit externen Fachleuten.
Raus aus den Kinderreservaten
Es ist längst bekannt, dass Bewegungsund Handlungsspielräume für Kinder aus vielerlei Gründen immer mehr eingeschränkt werden. Der daraus resultierende Bewegungsmangel wird von vielen Fachleuten als wesentliche Ursache für physische und psychische Entwicklungsdefizite bei Kindern angesehen. Die Folgen sind jedoch umfassender: Kindheit heute bedeutet vielfach auch Verringerung unmittelbarer sozialer Kontakte und Entfremdung von Naturräumen mit ihren vielfältigen Lebensformen und Phänomenen. Für die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes sind solche Bedingungen alles andere als positiv.
Zugespitzt formuliert stellt eine Kindertagesstätte einschließlich ihrer Außenanlagen in gewisser Weise ein Kinderreservat dar. Wie sehr es sich hier oft um eine weitgehend geschlossene und vom öffentlichen Leben getrennte Welt handelt, wird z.B. im Begriff »verinselte Kindheit« anschaulich. Kinder zeigen nach unserer Beobachtung großes Interesse an Ausflügen und machen immer wieder deutlich, dass sie sich aktiv mit neuen Orten und Begegnungen auseinandersetzen wollen.
Ihre Antriebskraft ist in der Hauptsache die Neugier, sich dem Unbekannten zu nähern und durch Handeln und Ausprobieren etwas Interessantes herauszufinden und zu lernen. Weil wir diesen Aspekt in unserer Arbeit unbedingt berücksichtigen wollten, haben wir uns entschieden, unser Haus weitgehend zu öffnen und den Kindern einen deutlichen vergrößerten Bewegungsradius anzubieten: Wir wollen mit den Kindern verschiedene Orte in der Stadt und nahegelegene Naturräume häufig und weitgehend unabhängig von der Witterung aufsuchen. Weil wir den Kindern neben Naturräumen auch andere kulturell und sozial geprägte Räume zugänglich machen, haben wir dafür einen Begriff etabliert: die Freilandpädagogik. Seitdem – und das sind mittlerweile über 20 Jahre – ist ein Großteil unserer Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren nach dem Frühstück jeden Tag draußen unterwegs, in den nahegelegenen Stadtvierteln, in den naturnahen Geländen am Stadtrand, auf öffentlichen (Spiel-)Plätzen oder auch einer »pädagogischen Farm«, einem Kleintierhof mit Pferden, Schafen, Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen, Hühnern und Enten.
In der Regel kehren wir gegen 13 Uhr zum Mittagessen in die Kita zurück und verbringen dort dann den Nachmittag oder in unserem Garten. In beiden »Freiland-Gruppen« sind Kinder ganz unterschiedlichen Alters. Die Altersmischung wirkt sich sehr positiv auf die Gruppendynamik und das soziale Miteinander der Kinder aus. Wir sprechen hier von »Basisgruppen«, weil stets dieselben Kinder in einer Gruppe unterwegs sind – aus ganz praktischen Erwägungen: Unterwegssein in neuen Umgebungen erfordert Vertrauen und Verlässlichkeit, und in einer Gruppe, deren Mitglieder gut aufeinander eingestimmt sind, bewegen sich die Kinder sicherer.
Edeltraud Prokop ist Erzieherin, Kinderkrankenschwester, Freilandpädagogin und Multiplikatorin für die Bildungs und Lerngeschichten, leitete ein städtisches Haus für Kinder (Konsultationseinrichtung) in München und begründete zusammen mit ihrem Team die sogenannte Freilandpädagogik.
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Den vollständigen Beitrag und weitere Artikel zum Thema können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/19 lesen.