Mit Essen spielt man nicht! So das landläufige Urteil vieler Erwachsener, die befürchten, Lebensmittel würden dadurch geringgeschätzt. Dass Lebensmittel jedoch aufgewertet werden können, wenn man sie durch Kunst in Szene setzt, zeigt die Aktionskünstlerin Simone Schander mit einem Projekt in einer Berliner Kita.
Wie sieht eine gesellige Mahlzeit aus, wenn Kinder sie unter sich gestalten? Was würden Kinder gern in Dosen konservieren? Welches sind Lebensmittel, die sie in den Mittelpunkt ihrer Malerei stellen, künstlerisch bearbeiten oder fotografieren möchten? – Um auf diese Fragen kreative Antworten zu finden, haben sich Kindergartenkinder gemeinsam mit der Künstlerin Simone Schander und den Erzieherinnen aus ihrer Kita von der Kunst großer Meister der Geschichte inspirieren lassen, die Lebensmittel und Mahlzeiten in ihr künstlerisches Schaffen miteinbezogen haben, und ließen eigene Objekte, Bilder und Aktionen im Rahmen eines Kinderkunstprojektes entstehen.
Das Projekt begann mit zwölf drei- und vierjährigen Kindern des Kindergartens. Die Erzieherinnen hatten im Vorfeld Kinder eingeladen, die sich im Gruppengeschehen eher zurückgezogen und still zeigten – oder besonders aktiv waren und den Halt eines Gruppenprojekts gebrauchen konnten. Drei davon waren Inklusionskinder.
Essen zum Thema machen
Bei einem gemeinsamen Frühstück lernten die Kinder der Projektgruppe mich und sich untereinander kennen. Unsere Gespräche drehten sich natürlich auch ums Essen: Was esst ihr gern und wie esst ihr gern? Esst ihr mit der Familie oder allein, vorm Fernseher, im Restaurant, am Tisch oder auf dem Sofa? Habt ihr schon einmal selbst gekocht?
Die »Kennenlernmahlzeit« dauerte viel länger als ein normales Frühstück im Kindergarten und verlief sehr entspannt. Nach etwa eineinhalb Stunden wurde aufgeräumt. Statt die Essensreste in den Müll zu werfen, packten wir die Speisereste von den Tellern in verschiedene Einmachgläser: in ein Glas die restlichen Wurstscheiben, Käse und Brotreste in ein anderes, Banane und Ananas in ein drittes und Paprikastreifen und Karottenstücke ins letzte. Die Gläser wurden sorgfältig mit Glaskleber verschlossen. Die Kinder konnte jetzt beobachten, wie sich die Lebensmittel im Laufe des Projektes veränderten: Wo hat sich Schimmel gebildet? Welches Lebensmittel veränderte sich am schnellsten, welches fast nicht? Und warum ist das so?
Nach dem Frühstück schauten wir eine Fotografie des Gemäldes »Das Abendmahl« von Leonardo da Vinci an, das Bild von einem Künstler, der vor sehr langer Zeit eine Szene festgehalten hat, in der Menschen zusammengekommen sind, um gemeinsam zu reden und zu speisen. So wie wir im Frühstücksraum. Sofort kamen Fragen auf: Was liegt auf Leonardos Bild auf dem Tisch? Und was war bei uns auf dem Tisch? Wer sind die Menschen, die sich um den Tisch auf dem Bild versammelt haben? Worüber mögen sie geredet haben?
Die Kinder bekamen dann ein naturfarbenes Zeichenblatt und ein Stück Stoff als Symbol für eine Tischdecke, das sie auf das Bild kleben konnten, um ihre die Szene des Abendmahls zu malen. Die Tischdecke sollte dabei als Impuls und Hilfe zur Orientierung auf dem Bild dienen. In dem Moment, als die Kinder das Stück Stoff als Tischdecke auf das Bild klebten, fanden die meisten von ihnen einen Anstoß für eine Idee für ihr Bild. Es wurden wunderbare Bilder, die die Kinder kreierten.
Ein Bild von unserem Abendmahl
Beim nächsten Projekttag überraschte ich die Kinder mit Tüchern und Perücken sowie Bärten und Schminkfarbe, damit sie sich so verkleiden konnten wie auf Leonardos Bild. Um die Szene zu komplettieren, überlegten wir gemeinsam, welche Lebensmittel dabei auf dem Tisch liegen sollten. Auf dem Original ist viel Brot zu sehen, da lag die Idee nahe, zum Bäcker zu gehen. Dort durfte sich jedes Kind eine Köstlichkeit aus der Auslage aussuchen. Zurück im Kindergarten deckten wir gemeinsam den Tisch, drapierten die Tücher als Gewänder und klebten oder malten uns gegenseitig Bärte und postierten uns zum Fotoshooting.
Ich war überrascht, dass sich so viele Kinder aktiv an den Vorbereitungen beteiligten und den Mut hatten, sich zu verkleiden. Auch Birgit, die Erzieherin, war erstaut über die Aktivität der Kinder. Es ist ein tolles Bild entstanden, finde ich. Im Anschluss an die Fotosession wurden die Backwaren mit Freude verzehrt. Ein kleiner Rest wanderte wieder in ein Einweckglas.
Bilder aus Obst und Gemüse
Ich zeigte den Kindern Fotografien von Arcimboldos Jahreszeitenbildern, auf denen der Künstler aus Gemüse, Früchten und Obst Köpfe gestaltete. Zur Vorbereitung für eigene Gemüse- und Obstbilder malten die Kinder zunächst »leere« Köpfe mit einer Hautfarbe aus Kreide, Ocker und roter Erdfarbe auf zwei große Leinwände.
Um dann die Obst- und Gemüsebilder zu gestalten, gingen wir in einen Supermarkt. Jedes Kind durfte je zwei Sorten aus der Gemüse- und Obstabteilung aussuchen. Wir machten die Kinder nur darauf aufmerksam, dass es sinnvoll sein könnte, viele unterschiedliche Sorten auszuwählen, damit wir eine große Auswahl hätten. Die Kinder wählten genau aus, verglichen und gingen dann stolz mit gefüllten Körben zur Kasse. In der Kita wuschen und schnitten wir gemeinsam das Obst und Gemüse. Für viele war diese Arbeit neu und sie waren stolz, mit dem Messer zu schneiden.
Das geschnittene Gemüse legten wir als Augen, Nase, Mund, Haare, Ohren, Schmuck, Wimpern, Sommersprossen, Brille, Pickel oder Schnurrbart auf die großen Bilder, die mit einer abwaschbaren Folie bespannt waren. Die Gesichter, die dabei entstanden, brachten die Kinder zum Lachen. Wir rätselten über die entstandenen Gesichter: Wie die wohl heißen? Gehört das Gesicht einem Mann oder einer Frau?
Am Ende waren alle für Frau Nahkauf – dem Namen des Supermarkts entlehnt – und Herr Nussbart, weil der Bart des Gesichts mit Erdnüssen gelegt wurde. Beide Gesichter wurden im Anschluss an die Aktion genüsslich verzehrt. Ein kleiner Teil, der nicht wiederverwertet werden konnte, kam ... wieder in ein Einweckglas.
Simone Schander ist Aktions- und Installationskünstlerin und Dozentin für kreative Pädagogik. Sie verbindet ihre künstlerische Arbeit mit Bildungskonzepten, kreativen Wissenschaften sowie mit Aktionen zur Stärkung von Diversität und Partizipation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Vielfältige Kulturprojekte und Ausstellungskonzepte wurden von ihr initiiert und verwirklicht, wie z.B. Theater- und Performanceaktionen, temporäre Museumskonzepte und Kunstaktionen im öffentlichen Raum.
Kontakt
www.kinderart.de
Das Projekt »Kunst im Kochtopf« ist eines der Projekte im Rahmen der Mitmach-Ausstellung »Tischlein deck dich! Essen + Kunst« des Berliner Kinderkünstezentrums. Kinder von zwei bis achten Jahren erlebten eine ungewöhnliche Sichtweisen auf unser tägliches Essen und wurden angeregt, selbst Lust am Kochen und kreativ-respektvollen Umgang mit Nahrungsmitteln zu entwickeln.
Das KinderKünsteZentrum versteht sich als ein Berliner Netzwerk, um die kulturelle Bildung für junge Kinder zu stärken und auszubauen. Hier werden Erfahrungen und Informationen ausgetauscht und vor allem praxistaugliche Formate für die ästhetisch-kulturelle Bildung insbesondere in Kindertagesstätten entwickelt.
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Ganghoferstr. 3
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Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/16 lesen.