Ein Kitaprojekt im Winter
Der Zauber des Lichtes und die Dunkelheit
Es ist Winter! Die Tage sind kurz und es ist spürbar kalt auf der Straße. Die Kinder in der Kita sehen und spüren, dass sich »draußen« etwas verändert hat. Die Pädagoginnen der Kita bemerken die Aufregung der Kinder und sind davon berührt.
Die Erfahrungen der Kinder mit den Jahreszeiten sind ganz unterschiedlich. Welche inneren Bilder entwickeln sie zu dem Thema und wie haben sie sich damit allein, mit anderen Kindern, ihren Eltern oder Großeltern oder mit den Pädagoginnen auseinandergesetzt?
In der Lernwerkstatt
In der Lernwerkstatt unterhalten sich die Fünfjährigen über die morgendliche Dunkelheit im Dezember. Warum wird es morgens so spät hell? Die Kinder suchen gemeinsam nach einer Antwort. Sie genießen die Gespräche innerhalb ihrer kleinen Gruppe und wollen noch keine Unterstützung von der Pädagogin, die sich zurückhält, jedoch das Gespräch verfolgt.
Jette malt den Mond, die Erde und die Sonne und kommentiert ihr Bild: »Die Sonne und der Mond scheinen beide auf die Erde!« Sie erklärt, dass Sonne und Mond sich abwechseln mit dem Scheinen und der Mond gerade stärker ist als die Sonne. Per schüttelt den Kopf: »Nein, die Erde dreht sich um ihre eigene Achse und die Sonne dreht sich auch!« Jette guckt erstaunt, bleibt aber bei ihrer Meinung: »Stimmt nicht!« Sie können sich nicht darauf einigen, was richtig ist und gehen zu Britta, die heute die Kinder in der Lernwerkstatt begleitet.
Britta hört den Kindern aufmerksam zu. Sie fragt Jette, was denn der Mond macht, damit er stärker ist als die Son-ne. »Die Sonne wird müde und geht unter. Der Mond hat darauf gewartet und kommt raus. Er ist nicht so heiß wie die Sonne und weckt sie deshalb nicht auf«, antwortet Jette. Es wird ein lebhaftes Gespräch.
Beobachtungen aus dem Atelier
Mira, 4 Jahre alt, erklärt Pädagogin Monika: »Weißt du, Mama muss jetzt immer Licht anmachen, wenn ich aufstehe! So dunkel ist es!«
Monika: »Hast du gedacht, dass es noch Nacht ist?«
Mira schüttelt den Kopf: »Jetzt ist es früh immer dunkel. Und auch kalt!«
Monika: »Du machst dir darüber Gedanken. Das finde ich gut. Ich wollte heute morgen auch weiterschlafen. Der Wecker hat mich geweckt. Hast du eine Idee dazu, was anders ist?«
Mira: »Weil die Sonne nur noch in Afrika ist. Da ist sie knallheiß.«
Monika: »Du meinst, die Sonne kommt gar nicht mehr zu uns?«
Mira denkt nach. »Doch, sie guckt nur ein bisschen um die Ecke und ist gar nicht mehr warm!«, antwortet sie dann.
Leni hat zugehört und meint: »Bis die Sonne um die Ecke kommt, können wir doch einen Lichterzauber machen. Im Atelier haben wir bunte Lichterperlen. Die sehen so schön aus. Wollen wir einen Lichterzauber machen?«
»Die Antworten der Kinder auf Fragen sind stets subjektiv, sie sind Deutungen ihrer jeweils unterschiedlichen Erlebniswelten. Wichtig ist hierbei der individuelle Charakter von Bedeutungen und Bildern: Kinder und ebenso Erwachsene erschaffen eigene innere Bilder und diese sehen ganz unterschiedlich, eben »eigensinnig« aus. Gerade im kreativen Tun (›dem Eindruck Ausdruck verleihen‹), verbinden Kinder Affekte und Kognition, sie knüpfen Beziehungen und treten in Dialog mit den Dingen und vereinen so Fantasie mit Weltverarbeitung.«
Prof. Dr. Annette Dreier, FH Postdam
Die Kinder holen transparente Glitzerperlen aus dem Regal und legen sie auf den Lichttisch. Dann knipsen sie das Licht aus und im Atelier entstehen geheimnisvolle Geschichten ...
Auf der pädagogischen Konferenz erzählen Britta und Monika ihren Kolleginnen, was in der Lernwerkstatt geforscht und diskutiert wird und wie sich das Atelier seit Tagen in einen Glitzerraum verwandelt.
Die Kolleginnen berichten, dass manche Kinder jetzt morgens »kuscheliger« sind, andere »träumen« mit offenen Augen auf dem Sofa. Alle spüren die dunkle Jahreszeit.
Britta erinnert an die Teamreise nach Reggio Emilia: »Wisst ihr noch, wie uns damals im Lichtertunnel kalt und warm wurde und wie wundervoll das Spielen mit dem Licht und dem Schatten war? Wollen wir das nicht auch bei uns versuchen?« Da war die Idee: Jetzt im Winter machen wir in der Kita ein großen Lichtzauber!
In den nächsten Tagen wird viel überlegt, diskutiert, gezweifelt, verworfen und erfunden. Die Kinder werden bei der Planung mit einbezogen und ihre Ideen macht die Pädagoginnen mutig. Die Kinder wünschen sich dunkle Höhlen mit Lichterketten, »Glitzerketten«, Discolampen für den Tanzraum und viele Kostüme zum Verkleiden ... Und die älteren Kinder wünschen sich ein Schwarzlichttheater.
Jetzt werden die Räume geplant. Ihre Gestaltung für das Projekt unterliegt den Anforderungen der Werkstatträume. Jeder Raum soll einen Bezug zu den Möbeln und Gegenständen haben, die er beherbergt. Gestaltete Räume strahlen eine ästhetische Atmosphäre aus, sie beruhigen, inspirieren, laden ein, geben Geborgenheit, fordern heraus und sprechen uns emotional an. Solche Räume nehmen wir mit allen unseren Sinnen, also ganz lebendig wahr.
Nun zeichnen die Pädagoginnen die Räume nach den besprochenen Anforderungen und erstellen eine Liste mit den nötigen Utensilien. Auf dem Elternabend informieren sie über das Projekt und die Eltern werden zur Mitarbeit daran eingeladen.
Zauber von Licht und Dunkelheit
Im Atelier werden alle Regale an die Wand gestellt. Drei Overheadprojektoren (OHP) stehen in der Mitte des Raumes. Neben jedem OHP ist ein Regal mit vielfältige Materialien. Die Verdunkelungsrollos an den Fenstern dienen als Projektionsfläche.
Die Kinder malen Bildgeschichten auf langen Folienstreifen, die dann langsam über die OHPs gezogen werden. So entstehen »bewegte« Bilder, die zu neuen Geschichten einladen.
Das Atelier wird zum Forscherraum für die vielen unterschiedlichen Materialien. Die kreativen Ideen der Kinder bekommen durch das Zaubern am OHP immer neue Nahrung. Die Kinder staunen, sind neugierig, probieren verschiedene Varianten und genießen ihre Erfahrungen, die sich mit ihren überraschenden Gefühlen verbinden.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/16 lesen.