Zum Professionalisierungsdilemma des Erzieherinnenberufs
Erzieherin – in Deutschland auch heute noch zu 95 Prozent ein Frauenberuf. Wie es dazu kam und welche Auswirkungen das auf die Ausbildung, Vergütung und das Ansehen des Berufes hat, diesen Fragen geht Sigrid Ebert nach.
Mit der Gründung des Kindergartens vor 175 Jahren hat Friedrich Fröbel nicht nur die Weichen gestellt für eine kindergerechte außerfamiliale Erziehung und Bildung in öffentlichen Betreuungseinrichtungen, sondern auch entscheidende Anstöße für die Gestaltung einer spezifisch deutschen Berufskultur gegeben. Bilden, erziehen und betreuen – orientiert an den Entwicklungsbedürfnissen des Kindes – sind »untrennbare Aktivitäten« von Pädagoginnen im Umgang mit dem kleinen Kind, weil sie aus der Perspektive des kindlichen Erlebens und Erfahrens untrennbar zusammenhängen.
Deshalb, so folgerte Fröbel, fordert der Beruf »eine stets prüfende Selbstbeachtung und ein Hingezogen-Sein an die Kleinen, eine Beachtung ihres Wesens in sich, von denen ein Anderer kaum ein Begriff hat« (Fröbel, 1843). Auch wenn wir heute von »professioneller Haltung« sprechen, beinhaltet dieser Begriff nicht allein die äußerlich sichtbare, objektive Organisationsform der Tätigkeiten einer Fachkraft in Kindertageseinrichtungen. Sondern er umfasst auch die in der Ausbildung erworbene, auf eine spezielle Wissens- und Kompetenzbasis gegründete, sinnerfüllte innere Bindung an die beruflichen Aufgaben und Anforderungen.
Ein kulturgeschichtlicher Rückblick
Die Geschichte des Erzieherinnenberufes ist auf das Engste mit den Zielen der bürgerlichen Frauenbewegung im 19. Jahrhundert verknüpft. Das Recht der Frauen auf Erwerbstätigkeit, auf Bildung und auf Gleichstellung mit dem Mann wa-ren die zentralen Themen der organisierten Frauenbewegung. Dieser Emanzipationskampf bestand ganz wesentlich darin, die Frau aus ihrem Eingeschlossensein im privaten Raum der Familie zu befreien und ihr Möglichkeiten der Teilhabe am sozialen und politischen Leben zu erschließen.
Mit seinem »Entwurf eines Plans zur Begründung und Ausführung eines Kindergartens« hatte sich Fröbel 1840 auch an die »deutschen Frauen und Jungfrauen« gewandt, und diese in ihrem wachsenden staatsbürgerlichen Bewusstsein angesprochen. Das war strategisch klug überlegt von Fröbel. Wünschte er sich doch in der Erziehung des kleinen Kindes nicht nur die Mitwirkung des mehr »von außen lehrenden männlichen Geschlechts«, die als »Kinderführer« bzw. »Erzieher« bei Kindern des etwas »vorgerückten Alters« und als Leiter bzw. Vorsteher von Kindergärten tätig werden sollten. Für die unterste Stufe seiner Volkserziehung – quasi als Bindeglied zwischen leiblicher Mutter und Kind – sollten Frauen ausgebildet werden.
Sein Ausbildungskonzept von 1847 »Zur Gründung einer Bildungsanstalt für Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen« – Männer hatte er für diese Berufsaufgaben nicht gewinnen können – war mehrstufig angelegt und nach unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern gegliedert. Der Rahmenplan sah eine Ausbildung zur Erziehungsgehilfin bzw. Kinderpflegerin in der (bürgerlichen) Familie vor und zu »Führerinnen und Erzieherinnen ganzer Kinderkreise und Kindervereine, gleichsam wahrer Kindergärten, also zu Kindergärtnerinnen«.
In seiner Kindergartenpädagogik war Fröbel vom didaktischen Bildungsbegriff der Schulpädagogik abgerückt. Beides, zielorientiertes Handeln und eine emotionale Beziehung zum Kind sind wichtig. Sein frühpädagogisches Handlungskonzept orientiert sich an einem Bild vom Kind, das seine Entwicklung durch Selbsttätigkeit im Spiel, durch Interaktion und Kommunikation mit Erwachsenen und anderen Kindern mitgestaltet. Die erste Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen, die Fröbel 1849 gründete, stellt bis heute den Prototyp für die Organisation der Ausbildung dar: Neben der »Berufsschule« als Lernort wurden die angehenden Kindergärtnerinnen in einem Fröbel-Kindergarten ausgebildet.
Bis um die Jahrhundertwende waren jedoch der berufsstrukturellen Ausgestaltung zu einem bezahlten und anerkannten Frauenberuf noch enge Grenzen gesetzt. Überwiegend wurde die pädagogische Arbeit von bürgerliche Frauen im Rahmen von Wohltätigkeitsvereinen privat und ehrenamtlich ausgeübt. In der Regel hatten sie sich jedoch für diese Tätigkeit durch den Besuch eines Kindergärtnerinnenseminars, einer sogenannten »höheren Töchterschule«, dafür qualifiziert.
Sigrid Ebert ist Dipl.-Psychologin und Organisationsentwicklerin. Sie war Leiterin der Abteilung Aus- und Weiterbildung des Pestalozzi-Fröbel-Hauses in Berlin und Vorsitzende des Pestalozzi-Fröbel-Verbandes.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/15 lesen.