Die »Kinderkunstwerkstatt« ist ein von Christel van Dieken entwickeltes Fortbildungsangebot für Erwachsene, die mit kleinen Kindern arbeiten. Es entstand auf der Grundlage der Reggio-Pädagogik und möchte Erzieherinnen ermutigen, schon den Jüngsten in der Krippe einen Rahmen zu schaffen, in dem sie bildnerisch gestalten können.
Der erste Beitrag Christel van Diekens zu diesem Thema erschien in Heft 1-2/09.
Schon sehr früh benutzen Kinder ihre Hände und Finger, um Spuren zu hinterlassen. Sie ziehen Linien im Brei, im Kartoffelpüree, im Badeschaum, mit der »schmutzigen« Hand an der Wand. Im Alter von acht bis neun Monaten können sie Gegenstände oder Werkzeuge, mit denen sich Spuren erzeugen lassen, mit den Händen ergreifen und ihre Wirkung erproben.
Zwar entstehen diese Spuren zunächst zufällig, doch die Kinder entdecken schnell, dass sie von ihnen stammen und manchmal dauerhaft sind. Diese Dauerhaftigkeit ist für die Kinder »eine Quelle des Glücks«.1
Einen der »magischen« Momente, in denen ein Kind feststellt, dass es mit einem Wachsmalstift eine Spur erzeugen kann, wird im Folgenden beschrieben:
Ein Mädchen bekam von der Erzieherin einen Schuhkartondeckel, in dem Wachsmalblöcke lagen, und begann, damit zu spielen. Die Blöcke rutschten im Deckel hin und her. Als das Mädchen den Deckel anhob, fielen sie zu Boden. Um sie aufzuheben, beugte sich das Mädchen im Sitzen ein wenig nach hinten. Es griff nach einem Wachsmalblock, und durch den Druck beim Hinunterbeugen entstand eine Spur auf der weißen Malunterlage.
Das Mädchen entdeckt die Spur und prüfte sofort die Wiederholbarkeit: Es begann, weitere Spuren auf der weißen Malwand zu hinterlassen. Gleichzeitig bot es einem anderen Kind, das das Geschehen aufmerksam verfolgte, auch einen Malblock an. Mit Lauten und durch Gesten animierte es das andere Kind: »Da, probier auch mal!«
Dies ist der Prototyp einer Situation, in der das Bedürfnis nach Malen im Sinne von Spuren hinterlassen entsteht. Alle Schritte bahnen eine Denkspur, auf deren Grundlage der Wunsch nach Wiederholung, nach weiteren und differenzierteren Erfahrungen entsteht.
»Die Kinderzeichnung entwickelt sich nach dem gängigen Verständnis aus den noch schlecht koordinierten Bewegungen der Hand, die von Bleistift, Kreide oder einem anderen grafischen Werkzeug auf einem Untergrund festgehalten werden. Erstaunt folgt das Kind dem Ergebnis seines Tuns.«2
Hat das Kind entdeckt, dass es diese Spuren selbst produzieren kann, ist »seine Neugier angestachelt, solche Bewegungen zu wiederholen. Es beginnt, Kritzeleien auf allen Unterlagen zu produzieren, die zur Verfügung stehen«.3
Ein Malgrund ist zunächst der eigene Körper, denn kleinen Kindern ist überhaupt nicht einsichtig, wieso die Farbe oder die Spur des Stiftes auf einem Blatt »landen« soll.
In der folgenden Bilderserie kann man erkennen, wie intensiv und konzentriert das Mädchen die ästhetische Erfahrung der Bemalung des eigenen Körpers erlebt.
Das Malen beginnt in der Regel also ohne die Vorgabe oder Begrenzung eines Blattes. Es ist immer mit dem Bewegungsbedürfnis der Kinder verbunden. Doch bald haben sie große Freude daran, auf einem Maluntergrund oder einem Blatt, das ihnen angeboten wird, Spuren zu hinterlassen. Auch dabei wird der Blattrand zunächst nicht als Begrenzung gesehen.
Deshalb sollten kleinen Kindern möglichst große Papierformate zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihr Bedürfnis nach Bewegung und dem Hinterlassen von Spuren befriedigen können.
Vielfältige Materialien und der Umgang mit Werkzeugen ermöglichen es kleinen Kindern, Erfahrungen über die Materialität der Welt und die Handhabbarkeit von Dingen zu sammeln.
Materialien im ersten Lebensjahr
Stellen Sie den Kindern flüssige, teigige Materialien zum Schmieren, Matschen, Klecksen und Färben zur Verfügung, die weich und formbar sind. Die Arbeit mit diesen Materialien ermöglicht ihnen ganzheitliche taktil-kinästhetische Erfahrungen.
Die Kinder werden diese Materialien anfangs auch in den Mund stecken. Deshalb müssen Sie dafür sorgen, dass alle Materialien ungiftig sind.
Wenn die Kinder die Möglichkeit haben, ausgiebig zu matschen und zu schmieren, berichten Erzieherinnen häufig über folgenden Nebeneffekt: Die Kinder sind bei den Mahlzeiten besonders motiviert, Besteck zu benutzen und nicht mit den Händen zu essen. Wenn das Grundbedürfnis nach haptischen Erfahrungen beim Schmieren und Matschen befriedigt wird, scheint die Motivation zu wachsen, groß sein zu wollen und sich dabei am Vorbild der Älteren zu orientieren.
Ungiftige Farben: Mehl- und Quarkfarbe
Farben bestehen aus Pigmenten, also aus pulverisierter Farbmaterie, gebunden mit Bindemitteln und Lösungsmitteln. Wenn Sie Farbpigmente nur mit Wasser vermischen, bekommen Sie eine Farbe, mit der man zwar gut malen kann, die aber nach dem Trocknen zu Staub zerfällt. Deshalb ist ein Bindemittel nötig. Es befestigt die Farbpigmente auf dem Untergrund, so dass eine haltbare, nicht abfärbende Schicht entsteht.
Mehlfarbe können Sie selbst herstellen. Kochen Sie Weißmehl mit Wasser auf. Mit Pigmenten vermischt, ergibt es eine einfache Farbe, die nach dem Trocknen hält. Hier das Rezept:
• 2 Tassen weißes Mehl
• 1 Tasse Zucker
• 3 Esslöffel Salz
Die Zutaten werden vermischt und in einem Kochtopf unter ständigem Rühren zum Aufkochen gebracht. Ist eine puddingähnliche Masse entstanden, nehmen Sie den Topf von der Herdplatte und lassen die Masse abkühlen. Danach wird der Binder mit einem Farbstoff vermischt.
Wischfeste Farben lassen sich auch mit Quark herstellen, denn Quark ist ein Eiweißbindemittel. Wir finden diese Farbe in historischen Malereien in Kirchen, Burgen und Schlössern, aber auch in der Bauernmalerei. In der Kita kann man sie als Fingerfarbe und als Malfarbe für Bilder benutzen.
Die Verarbeitung ist einfach, besonders wenn es sich um größere Mengen handelt. Sie brauchen weiter nichts als Speisequark, den Sie mit ungiftigen Farbpigmenten verrühren.
Materialien und Werkzeuge im zweiten und dritten Lebensjahr
Tipp
In Kürze erscheint im verlag das netz das Buch »Kinderkunstwerkstatt. Ein Handbuch zur ästhetischen Bildung von Kindern unter drei Jahren«, herausgegeben von Christel van Dieken, mit Beiträgen von Bärbel Effe, Brigitte Metzler und Dagmar Nettelmann-Schuldt.
1 Aus: Widlöcher, D.: Was eine Kinderzeichnung verrät. Fischer, Frankfurt am Main 1998, S.32
2 Aus: Schäfer, G. E.: Bildung beginnt mit der Geburt. Beltz, Weinheim 2003, S. 89
3 Ebd. S. 90
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 03/09 lesen.