Der Ohrwurm – heimlich, still und leise
Es gibt kaum einen Lebensraum, in dem nicht eine riesige Zahl kleiner und kleinster Tiere zu finden ist – und dennoch wissen wir über sie und ihr Leben nur sehr wenig. Nur selten kennen wir ihre Namen, und noch weniger wissen wir über ihre Rolle und Bedeutung in ökologischen Zusammenhängen. Viele Kinder interessieren sich aber für die Welt der Kleinlebewesen. Deshalb stellt Herbert Österreicher verschiedene und höchst bemerkenswerte Vertreter der wichtigsten zoologischen Gruppen vor. Die Serie begann in Heft 10/06.
Biologie und Ökologie
Ungefähr 2000 Arten von Ohrwürmern gibt es weltweit. Sie bewohnen sehr unterschiedliche Regionen. Die meisten Arten sind in subtropischen und tropischen Ländern zu finden. In Deutschland sind nur acht Arten heimisch, darunter der weit verbreitete Gemeine Ohrwurm (Forficula auricularia).
Die Körperlänge der Tiere beträgt meist zwischen 10 und 20 Millimeter. Einige Arten können auch deutlich größer werden, beispielsweise der in Brasilien beheimatete Riesenohrwurm (Titanolabis colossa) mit bis zu 50 Millimetern Länge. Die mit bis zu 80 Millimetern Länge größte bekannte Art, der St.-Helena-Riesenohrwurm (Labidura herculeana), wurde in den letzten Jahren nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er mittlerweile ausgestorben.
Der Sandohrwurm (Labidura riparia) ist die größte heimische Art. Er lebt besonders gern in den Dünen der Nord- und Ostseeküsten, wo er tief in den Sand führende Gänge gräbt.
Die Ohrwürmer bilden eine eigene Ordnung in der Klasse der Insekten. Sie besitzen zwar sechs an der Brust entspringende Beine, Facetten- oder Komplexaugen und meist zwei Paar Flügel. Die Flügel sind allerdings stark reduziert, unscheinbar und kompliziert gefaltet. Bei bestimmten Arten fehlen sie völlig. Aber auch Arten, die Flügel besitzen, fliegen nur selten.
Tagsüber halten sich die Tiere meist in Schlupfwinkeln wie engen Ritzen und Spalten oder unter Steinen und Erdbrocken verborgen. Erst mit der Dämmerung werden sie aktiv. Dann beginnt ihre Futtersuche. Dabei kann man den Gemeinen Ohrwurm mit ein wenig Geduld und Glück gut beobachten: Die schnell beweglichen Tiere ernähren sich in der Hauptsache von pflanzlicher Kost. Mit Hilfe ihrer kräftigen, zangenförmigen Hinterleibsanhänge, die sie blitzschnell nach vorn krümmen können, um ihre Beute zu packen, jagen sie aber auch kleine Spinnen und Käfer. Beim Entfalten der Hinterflügel werden die Zangen ebenfalls eingesetzt. Bei der Begattung dienen sie zum Festhalten des Partners.
Die Zangen (Cerci) sind je nach Art unterschiedlich geformt. Auch individuell gibt es teilweise große Unterschiede. Grundsätzlich sind die Zangen der Männchen meist sehr viel stärker und gebogener als die der Weibchen.
Außerordentlich interessant ist die Brutpflege des Gemeinen Ohrwurms, die schon vor vielen Jahren genau erforscht wurde: Das Weibchen legt jeweils im Frühjahr und im Herbst 50 bis 60 Eier in eine selbst gegrabene Erdröhre. Dann sitzt das Tier auf dem Eihäufchen, den Kopf auf den Vorderbeinen, und bewacht das Gelege. Zwischendurch werden die Eier abgeleckt, um sie rein zu halten und Krankheitskeime zu entfernen. (Forficula_auricularia Brutpflege.jpg) Faule Eier werden verzehrt. Stört man das Weibchen in dieser Zeit, macht es heftige Abwehrbewegungen mit seinen Hinterleibszangen.
Abhängig von der Umgebungstemperatur, schlüpfen nach einigen Wochen kleine Larven, die den Alttieren bereits sehr ähnlich sehen. Diese Entwicklung, bei der das Puppenstadium fehlt, wird als »unvollständige Entwicklung« bezeichnet. Die Larven sind anfangs völlig weiß und weichhäutig. Nach ein paar Stunden ist ihre Haut ausgehärtet und zeigt die arttypische braune Färbung.
In den ersten Tagen und Wochen beschützt die Mutter die Kleinen und führt sie nach nächtlichen Ausflügen immer wieder in die Brutröhre zurück. Oft packt die Mutter die Jungen wie eine Katze und trägt sie zurück. Nach insgesamt vier Häutungen, die mit dem Größenwachstum der Tiere unmittelbar in Verbindung stehen, ist das Larvenstadium abgeschlossen.
Die Wärme liebenden Tiere benötigen zur Überwinterung gut geschützte Nischen und Spalten im Boden. Auch hohle Pflanzenstängel und Totholz bieten ihnen geeignete Winterquartiere.
Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 11/08 lesen.