Qualifizierte Erzieherinnen werden derzeit Mangelware, und Erzieher waren schon immer Bückware: Kein Wunder, dass sich die Verantwortlichen in den deutschen Bundesländern mal wieder Gedanken machen, wie man neue Mitarbeiter für den Kindergarten schnell und unbürokratisch gewinnen kann. Vor einigen Monaten hatte man im Land Berlin eine pfiffige Idee: durch Zusatzqualifizierung von Erwerbstätigen aus all den nicht mehr benötigten Berufssparten. Die Ex-Verkäuferin kommt an den Holzobsttresen, der Tischler in den Werkraum, und der langjährige Sanitärinstallateur verpasst Naomi fachgerecht eine frische Windel.
Die Idee wurde in der öffentlichen Diskussion begeistert aufgenommen. Die Debatte über die Notwendigkeit, das Ausbildungsniveau für Pädagogen im Kindergarten zu erhöhen, war ohnehin schon langweilig geworden. Warum nicht mal das Gegenteil durchdenken? Und – Hand aufs Herz – braucht man zum Kindertrösten, Brotbüchsenöffnen und Spielplatzbegleiten wirklich mehr als gutes Gespür, frohen Sinn und ein warmes Herz, das unter einem großen, weichen Mutterbusen pocht?
Betrifft-KINDER-Urgestein Achim Kniefel sagt dazu ein klares Ja-aber. Zumindest eine kurze theoretische Prüfung als Abschluss eines mehrwöchigen obligatorischen Vorbereitungskurses bejaht der umtriebige Bildungsexperte. Aber er weiß auch, wie die Sache anzupacken ist. Mit seinem Lieblingsinterviewpartner Prof. Schlembauer von der Privatuniversität Ubbedissen und dem deutschen Fahrlehrerverband entwickelte er die folgende Pädagogik-Theorieprüfungsvorlage: Wie fit bin ich für den Einsatz in der Kita? Testen Sie selbst!
Im Spielraum beobachten Sie die obige Situation. Wie verhalten Sie sich?
A: Ich reagiere sofort! Auf meinem Beobachtungsbogen trage ich ein: »9.32 Uhr. Situation: Schlägerei zwischen Kind A und Kind B. Erwartetes Kinderverhalten: Heulen.«
B: Ich nehme den Duplostein beiseite und bitte ihn, darüber nachzudenken, dass er jetzt jemandem sehr wehgetan hat.
C: Ich halte mich zurück. Ist nicht der Raum der dritte Erzieher? Da kann der doch jetzt mal was sagen!
Das ist anders als in Ihrem bisherigen Job: Im Kindergarten sind ganz, ganz viele Menschen unterwegs – Eltern, Kinder, Pädagogen. Woran erkennen Sie, wer zu welcher Gruppe zählt?
A: Hmmm. Ich muss raten. Die zwei Kleineren nebeneinander, das könnten eventuell diese Erziehungspartner sein, von denen immer die Rede ist.
B: Also, für mich sind das alles nur Interaktionspartner und natürlich »sich selbst bildende Individuen«. Habe ich nicht prima aufgepasst beim dreitägigen Vorbereitungskurs?
C: Ich beobachte die Trinkgefäße. Bunte Plastikbecher mit Tee deuten auf Kinder hin. Milchkaffee im ToGo-Pappbecher spricht für Eltern. Die mit den Motivtassen voller hoch dosierter Plörre sind Pädagogen. Richtig?
Ihre Kolleginnen bitten Sie nach einigen Wochen nun auch einmal ein Angebot zu machen. Wie verhalten Sie sich?
A: Ich kaufe Blumen, ziehe mein bestes Hemd an und lächle die flotteste Dame verheißungsvoll an: »Mandy, wie wär’s mit uns zwei Hübschen?«
B: Ein Bildungsangebot? Dafür erwerbe ich beim Großhändler Bildungs-Rohware, kalkuliere messerscharf den Preis und versuche, die Konkurrenzangebote meiner Kolleginnen zu unterbieten.
C: Ich plane mein Angebot natürlich auf der Grundlage des Bildungsprogramms: zum Beispiel dieses Arte oder Dreisat. RTL 2 eignet sich wohl eher nicht.
Sie finden im Bildungsprogramm Ihres Landes einen schlauen Satz wie den zitierten von H. v. H. Fassen Sie kurz zusammen, was Sie darunter verstehen.
»Unter Bildung verstehe ich den notwendigen und wünschenswerten Vorgang, im Laufe dessen wir erstens unsere Anlagen, also unsere Person, entfalten, zweitens taugliche Bürger werden und drittens an unserer historischen Lebensform, also unserer Kultur, teilhaben als deren erfreute Nutznießer und erfreuliche Fortzeuger und Kritiker.«
A: Kurz zusammengefasst: Ohne Zeugung keine Bildung.
B: Ich kann’s nicht mit eigenen Worten wiedergeben, aber der Satz klingt einfach wunderwunderschön.
C: Ich nehme jetzt lieber den Telefonjoker und rufe meine alte Grundschullehrerin an. Die kennt sich mit diesem Pädagogikkram supi aus.
In einem Kindergarten treffen täglich viele Erwartungen aufeinander: Die Eltern wollen, dass ihre Kinder artig sind und sauber bleiben. Die Kommunalpolitiker wollen, dass man im Kindergarten Geld sparen kann, um Haushaltslöcher zu stopfen. Das Bildungsprogramm des Landes will, dass die Kinder zu gebildeten und handlungsfähigen Individuen erzogen werden. Wer hat Vorfahrt?
A: Zuerst, glaube ich, kommt die Sache mit dem Artig- und Saubersein zum Zuge. Das kommt schließlich von ganz rechts.
B: Mir scheint das mit der Bildung irgendwie übelst wichtig zu sein. Aber warum sollen die Kinder zu Endivien werden? Ist das nicht dieser furchtbar bittere Salat?
C: Das Einsparpotenzial hat grundsätzlich immer Vorfahrt. Der Bildungsanspruch muss warten, bis cirka 2035.
Nicht immer herrschen im Erzieherberuf optimale Arbeitsbedingungen. Bei welchen unzureichenden Gegebenheiten sollten Sie umgehend Ihre Arbeitstätigkeit unterbrechen?
A: Wieso Arbeitstätigkeit? Ich mach diese Gedöns-Umschulung nur, damit ich endlich nicht mehr arbeiten muss und wieder den ganzen Tag spielen kann.
B: Oh, eine Fangfrage! Im Erzieherberuf sind schlechte Arbeitsbedingungen doch keine Ausnahmesituation, sondern gehören seit Jahrzehnten zum Standard. Ich arbeite also weiter – egal, wie schlecht die Bedingungen auch sind und werden.
C: Sehe ich so wie B. Wenn die Arbeitsbedingungen mal nicht mehr unzureichend wären, würde ich selbstverständlich meine Hiwi-Stelle aufgeben, um dadurch zur Wiederherstellung der gewohnten Schlecht-Bedingungen beizutragen.
Auswertung
Haben Sie fleißig A, B oder C angekreuzt? Dann sind bestimmt viele Ihrer Antworten richtig… Genauer möchten wir eigentlich ungern hinschauen. Sie wissen ja: Wir brauchen jetzt jeden, der bereit ist, für wenig Geld einen harten Job zu machen.
Ja, Sie haben bestanden! Glückwunsch! Sie haben den Job!
Und jetzt bitte sofort hier unterschreiben…